Geschichte

Lugauer Geschichte

Seit dem 1. Januar 2013 besteht die Stadt Lugau in ihrer heutigen Größe. Gebildet wird die Stadt aus verschiedenen Teilen: Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Neukirchberg, Oberlugau und Niederlugau.

Text und Bildauswahl: Wolfgang Frech

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Lage und Besiedlung
Hochfläche mit Flockenstraße und Eisenbahntrasse | Foto: W. Frech
Hochfläche mit Flockenstraße und Eisenbahntrasse | Foto: W. Frech

Ursprung, Kirchberg, Erlbach und (Nieder-) Lugau wurden im Rahmen der Besiedlung des Erzgebir-ges in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts als Bauerndörfer gegründet. Die Bauern wurden in drei kleinen, etwa parallel verlaufenden Tälern angesiedelt, die nach Süd bis Südost allmählich anstei-gen und in eine Hochfläche münden. Dort entspringen die Dorfbäche. Auf dieser Hochfläche („Lugauer Gebirgsrand“) verläuft die Wasserscheide zwischen Lungwitzbach und Würschnitz. Zu bei-den Seiten der Bäche wurden die Bauerngüter angelegt, an die sich in schmalen Streifen Wiesen und Felder anschließen.

Quellgebiet der Lungwitz oberhalb von Ursprung | Foto: W. Frech

Im Quellgebiet und am Oberlauf des Lungwitzbaches liegt Ursprung. Hinter der Pflockenstraße ist die Flurgrenze zu Seifersdorf und Leukersdorf, die bereits im Würschnitztal liegen. Der anschließende Hirschgrund war zu klein, um ein Dorf anzulegen und blieb deshalb unbesiedelt.

Im Tal des Kirchberger Dorfbaches, der in den Lungwitzbach mündet, liegen Erlbach und Kirchberg. Zwischen beiden gibt es keine erkennbare Abgrenzung. Es ist möglich, dass es ursprünglich ein einheitliches Dorf war und erst geteilt wurde, als der obere Teil an das Kloster Grünhain überging.

Das folgende Tal wird vom Hegebach durchflossen, der ebenfalls in den Lungwitzbach mündet. Im Hegebachtal liegen Gersdorf und (am Oberlauf) Oelsnitz. In einem kleinen Seitental wurde Lugau gegründet. Besiedelt wurde nur der Talgrund in einer Länge von reichlich einem Kilometer.

Ehemaliges Lehnrichtergut in Erlbach | Foto: W. Frech

Die Bauern, die Wald rodeten und ein neues Dorf gründeten, wurden von „Lokatoren“ angeführt. Sie erhielten dafür ein Bauerngut, das größer als die anderen war. Mit diesen Gütern waren oftmals besondere Rechte verbinden, so die „Schankgerechtigkeit“ oder das Braurecht. Außerdem waren die Inhaber dieser Güter „Lehnsrichter“. Diese „Lehngerichte“ oder „Erbgerichte“ bestanden teilweise bis in die jüngste Vergangenheit. Solche herausgehobenen, privilegierten Güter sind auch aus Erlbach (nahe dem Pfarrgut), Ursprung und Lugau bekannt.

Größe, Anzahl der Bauernstellen, Ortsnamen, Zugehörigkeit

Die Zahl der Bauerngüter hing von der Fläche des Dorfes ab. Am größten war Erlbach mit fast 700 ha und etwa 33 Bauerngütern. In Kirchberg siedelten sich auf ca. 600 ha 23 oder 24 Bauern an. Lugau könnte ursprünglich etwa 500 ha umfasst haben; es wurden ungefähr 20 Güter angelegt. In Ursprung entstanden auf rund 380 ha 16 oder 17 Bauerngüter.

Von Bäumen gesäumter Dorfbach in Erlbach | Foto: W. Frech

Auch wenn die Dörfer bereits in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts gegründet wurden, tauchen sie meist erst Jahrhunderte später in der schriftlichen Überlieferung auf. Ursprung wurde um 1460 als „Orsprunck“ genannt. Nach anderen Angaben wurde aber bereits im Jahre 1225 ein Pfarrer von „Ourspringen“ bezeugt. Gemeint ist jedenfalls ein Ort am Ursprung eines Baches, also im Quellgebiet des Lungwitzbaches.

Ebenfalls aus der Zeit um 1460 stammt eine schriftliche Erwähnung von „Kirchperck“. Hier war die am Hang des Tales, also am Berg, gelegene Kirche namensgebend. Dieser Name kann also erst entstanden sein, als es die Kirche bereits gab. In einer Urkunde des Jahres 1447 wird „Erlebach“ genannt. Die Erlen, die am Dorfbach wuchsen, gaben dem Ort seinen Namen.

Feuchter Wiesengrund in Lugau | Foto: W. Frech

Um 1460 wurde Lugau als „Lugk“ genannt. Das ist der älteste Ortsname. Es handelt sich um ein slawisches Wort, das „feuchter Wiesengrund“ bedeutet. Schon vor der Besiedlung der Region gaben Sorben, die zum Beispiel im Tal der Mulde bei Zwickau lebten, dem kleinen Tal diesen Namen.

Die deutschen Siedler übernahmen diese  Bezeichnung. Viele Flussnamen und andere geografische Bezeichnungen in der Region haben slawische Wurzeln (z.B. Lungwitz, Würschnitz, Zwönitz).

Rittergut Oelsnitz als historische Ansicht

Zwischen Lungwitz- und Würschnitztal gab es verschiedene Herrschaftsgebiete. Ursprung, möglicherweise auch Lugau und Kirchberg, gehörten um 1200 zur Herrschaft Waldenburg. Erlbach und vielleicht auch Kirchberg waren Teil der Herrschaft Stollberg. 300 Jahre später, am Ende des Mittelalters, gehörten Ursprung und Kirchberg zum Kloster Grünhain und Lugau zum Rittergut Oelsnitz. Erlbach verblieb bei der Herrschaft Stollberg.

Im Jahre 1485 wurde das Kurfürstentum Sachsen geteilt. Das Kloster Grünhain – und damit Ursprung und Kirchberg – wurden dem ernestinischen Kurfürstentum Sachsen mit den Residenzstädten Wittenberg und Torgau zugeteilt. Die Herrschaft Stollberg kam zum albertinischen Herzogtum Sachsen, dessen Residenzstadt Dresden wurde. Damit wurden auch Erlbach und Lugau „albertinisch“. Zwischen Erlbach und Kirchberg verlief dadurch sogar eine Landesgrenze.

Kirche
Friedhof und Kirche Erlbach | Foto: W. Frech
Friedhof und Kirche Erlbach | Foto: W. Frech

Mittelpunkt der Dörfer war seit der Zeit der Besiedlung die Dorfkirche, die vom Friedhof umgeben war. Eine Mauer schützte diesen „Kirchhof“. Der Alte Glockenturm in Lugau ist der Rest einer solchen dörflichen Befestigungsanlage. In Erlbach und Kirchberg liegt der Friedhof bis heute an der Kirche, während in Ursprung und Lugau aus Platzgründen ein neuer Friedhof oberhalb der Kirche angelegt wurde. In der Kirche versammelten sich die Dorfbewohner zum Gottesdienst – inmitten ihrer Verstorbenen, die um die Kirche herum ihre letzte Ruhe gefunden hatten. So waren sie immer gegenwärtig.

Die Ursprunger Kirche als alte Schwarz-Weiß-Zeichnung

Die mittelalterliche Ursprunger Kirche wurde vor fast 300 Jahren zu einer barocken Kirche umgestaltet und vergrößert. Nach anderen Angaben soll die alte Kirche ab 1725 komplett abgetragen und neu errichtet worden sein. Ihre heutige Ausstattung erhielt sie nach dem Brand von 1974.

Die alte Lugauer Kirche als Schwarzweiß-Zeichnung

Die Lugauer Kirche, die wohl auf das 13. Jahrhundert zurückging, wurde 1842 abgerissen und durch einen vollständigen Neubau an anderer Stelle ersetzt. Das Aussehen der alten Kirche ist aus Abbildungen des 19. Jahrhunderts bekannt. Ein Teil der Ausstattung hat sich erhalten.

Die alte Erlbacher Kirche als Schwarzweiß-Zeichnung

Von der ursprünglichen Erlbacher Dorfkirche vermittelt noch der massive Turm aus dem Mittelalter einen Eindruck. Das Kirchenschiff wurde im 19. Jahrhundert neu errichtet.

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Die alte Kirche in Kirchberg als Schwarzweiß-Zeichnung

Auch die Kirchberger Kirche wurde vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet. Im frühen 19. Jahrhundert wurde sie umgestaltet und erhielt u.a. große Fenster, damit der Innenraum heller ist.

Pfarrhaus und Pfarrgut
Das Pfarrgut in Erlbach-Kirchberg | Foto: Wolfgang Frech
Das Pfarrgut in Erlbach-Kirchberg | Foto: Wolfgang Frech

Zur Kirche gehörten in vielen Dörfern Felder und Wälder. Die Landwirtschaft diente dem Lebensunterhalt des Pfarrers. Deshalb gab es ein Pfarrgut mit Pfarrhaus, Scheune und Stall. In Erlbach ist das Pfarrgut – bis auf die vor einigen Jahrzehnten abgebrannte Scheune - noch erhalten. In Lugau war das Pfarrgut vor rund 200 Jahren abgebrannt und wurde nicht wieder aufgebaut. Auch in Ursprung war das bis heute erhaltene Pfarrhaus Teil eines kleinen Pfarrgutes.

Neben der Zugehörigkeit zu den unterschiedlichen Herrschaftsgebieten war auch die kirchliche Gliederung sehr wichtig. Ursprung, Erlbach und Kirchberg gehörten zum Bistum Meißen, Lugau dagegen schon zum Bistum Naumburg.

So wie die Dörfer im Laufe der Jahrhunderte zu verschiedenen Herrschaftsgebieten gehörten, so veränderten sich auch die kirchlichen Beziehungen. Die Ursprunger Kirche war zeitweise eine „Tochterkirche“ von Erlbach, später von Wüstenbrand. Nach der Reformation kamen Abteilungwitz, Kirchberg, Seifersdorf und Pfaffenhain zur Ursprunger Kirche. Bis heute ist Seifersdorf  nach Ursprung „eingepfarrt“; sie haben keine eigene Kirche, sondern benutzen die Kirche und den Friedhof in Ursprung.

Schule
Pfarrhaus, ehemalige Kirchschule und Kirche in Ursprung | Foto: W. Frech
Pfarrhaus, ehemalige Kirchschule und Kirche in Ursprung | Foto: W. Frech

Eng verbunden mit der Kirche war die Schule. Als Folge der Reformation entwickelte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts auch in den Dörfern das Schulwesen. Ausgangspunkt waren die dörflichen „Küstereien“. Aus dem Küster wurden der Kantor und Lehrer. Es entstanden die „Kirchschulen“. Der Pfarrer war auch für die Schule verantwortlich. Deshalb stehen die Dorfschulen unmittelbar neben Kirche und Pfarrhaus. Kirche, Pfarrhaus und Kirchschule bilden bis heute ein Ensemble.

Ehemalige Lugauer Kirchschule | Foto: W. Frech

Diese „Kirchschulen“ sind aus früheren Jahrhunderten teilweise bis heute erhalten. Die Gebäude wurden ursprünglich wohl im 16. Jahrhundert errichtet und dann wiederholt erneuert oder neu errichtet - aber fast immer an der gleichen Stelle. Die erste Schule in Erlbach war die Kirchschule im jetzigen Wohnhaus neben der Erlbacher Kirche. Den Kirchenbüchern ist zu entnehmen, dass es ein Schulhaus mit einem Schulmeister schon 1579 gab. In dieser Schule, bestehend aus einem Klassenzimmer und einer Lehrerwohnung, wurde bis 1900 unterrichtet. Auch in Kirchberg und Ursprung standen die Kirchschulen gleich neben dem Pfarrhaus. In Lugau wurde Mitte des 19. Jahrhunderts eine neue, moderne Kirchschule errichtet – nur wenige Schritte vom Pfarrhaus entfernt.

Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe
Ehemalige Schmiede Erlbach | Foto: W. Frech
Ehemalige Schmiede Erlbach | Foto: W. Frech

Im Mittelalter lebten die Menschen in den Dörfern fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Es gab nur wenige Handwerker, die für das Leben auf dem Dorf unverzichtbar waren. Fast jedes Dorf besaß eine oder mehrere Mühlen und eine Schmiede. Dazu kamen vielleicht Zimmerleute bzw. Stellmacher und Bäcker. Manchmal war mit der Mühle eine Bäckerei verbunden. So ist es z.B. aus jüngerer Zeit für die Ursprunger Mühle (die spätere Kupfermühle) und noch am Beginn des 20. Jahrhunderts für die Lugauer Mühle (am unteren Ortsende) bezeugt. In Ursprung gab es zeitweise sogar eine Windmühle, die an der Pflockenstraße stand.

Im 16. Jahrhundert änderte sich das. Zwischen den Bauernhöfen entstanden Gartenwirtschaften und die noch kleineren Häusleranwesen. Diese Gebäude – inzwischen immer wieder erneuert bzw. neu gebaut - prägen neben den Bauerngütern bis heute die dörflichen Gebiete in Ursprung, Kirchberg, Erlbach und Niederlugau.

Die Grundstücke waren so klein, dass ihre Besitzer ganz oder teilweise von einem Handwerk leben mussten. Sie produzierten nicht mehr für den Eigenbedarf des Dorfes, sondern für den Markt. Im Erzgebirge und seinem Vorland arbeiteten diese Handwerker vor allem als Leinenweber. So zeigen die Steuerlisten von Lugau in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein starkes Ansteigen der Zahl der Gartenwirtschaften und damit der dörflichen Handwerker. Die neuen Anwesen wurden zwischen den Bauerngütern angelegt, in Lugau auch an dem steilen Weg, der das Dorf im Tal mit der Hochebene verband.

Häusleranwesen in Urprung | Foto: W. Frech

In einem Text über die Situation in der Mitte des 16. Jahrhunderts heißt es:  „…daß seit länger als 30 Jahren in Ursprung Schuster, Schneider, Leinweber, Böttcher und Schmiede gewohnt haben und ihre Arbeit ungehindert betrieben und also Ursprung das Recht besitze, allerlei Handwerker zu halten“. Hinter dieser Feststellung könnten Auseinandersetzungen mit den Handwerkern in Chemnitz stehen, die die Konkurrenz auf dem Land verhindern wollten. 1587 sollen auch Lugauer Weber vom Chemnitzer Rat verklagt worden sein.

Im 18. Jahrhundert hielt in den Dörfern die Strumpfwirkerei Einzug. Besonders das benachbarte Oelsnitz war ein Zentrum der Strumpfwirkerei und der Weberei. Zu der großen Strumpfwirker-Innung in Oelsnitz, die seit 1787 bestand, gehörten auch viele Strumpfwirker zwischen Lugau und Ursprung. Ein Verzeichnis aus dem Jahre 1835 nennt für Lugau 36, für Kirchberg 10 und für Ursprung 35 Strumpfwirkermeister. Dazu kamen noch einige Gesellen und Lehrlinge. 1853 gab es in Ursprung 87 Strumpfwirker.

Meinertsche Spinnmühle als historische Ansicht

In Oelsnitz wurde 1809/10 die Firma „Gebrüder Meinert“ gegründet. Meinert belieferte die Weber und  Strumpfwirker mit Rohmaterial und übernahm dann den Vertrieb der Fertigwaren. Um nicht auf fremde Lieferanten angewiesen zu sein, gründeten die Gebrüder Meinert 1812 in Lugau eine eigene Maschinenspinnerei, die Meinertsche Spinnmühle. Das Spinnereigebäude erregte aufgrund seiner Größe und Pracht schon bei den Zeitgenossen großes Aufsehen.

Damit begann auch in Lugau die Zeit der Industrialisierung. Es war der Schritt von handbetriebenen Spinnrädern zu Spinnmaschinen, die in großen Gebäuden aufgestellt waren und von Männern, Frauen und Kindern bedient wurden. Sachsen und besonders der Raum Chemnitz, Erzgebirge und Vogtland nahmen am Beginn des 20. Jahrhunderts in der Baumwoll-Maschinenspinnerei eine führende Rolle in ganz Deutschland wahr.

Durch die allmähliche Entwicklung des Gewerbes und den Beginn der Industrialisierung war auch die Einwohnerzahl gestiegen. Die Ergebnisse der ersten sächsischen Volkszählung im Jahre 1834 zeigen, dass zwischen den einzelnen Dörfern kein sehr großer Unterschied bestand. Ursprung hatte damals 422 Einwohner, Kirchberg 348, Erlbach 475 und Lugau 436.

Bergbau: Die Anfänge
Bergbaulandschaft um Oelsnitz/Erzgeb. | Foto: W. Frech
Bergbaulandschaft um Oelsnitz/Erzgeb. | Foto: W. Frech

10 Jahre nach dieser Volkszählung (siehe "Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe") kam es zu einem Bruch in der ruhigen, gleichmäßigen Entwicklung der Region. In der Nacht vom 6. zum 7. Januar 1844 war auf Neuoelsnitzer Flur nahe der Ortsgrenze zu Niederwürschnitz abbauwürdige Steinkohle gefunden worden. Das war die Geburtsstunde des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers.

Diese ersten Funde lösten in der gesamten Umgebung zahlreiche Versuchsbohrungen aus. Sie konzentrierten sich auf Neuoelsnitz und Niederwürschnitz. Aber auch in der weiteren Umgebung gab es viele Bergbauversuche. Außerhalb der Kohlevorkommen unter Oelsnitz, Hohndorf, Gersdorf, Lugau und Niederwürschnitz waren diese Versuche aber ohne Erfolg.

Auch in Erlbach, Kirchberg und Ursprung gab es solche Versuche. Bereits 1833 plante ein Unternehmen, u.a. in Kirchberg und Pfaffenhain Versuchsbohrungen durchzuführen; dazu kam es aber nicht. Der „Niederwürschnitz-Kirchberger Steinkohlenaktienverein“ (1844 - 1878) hatte in Kirchberg Abbaurechte für fast 200 ha erworben. Vor allem in Niederwürschnitz wurden einige Schächte geteuft. Einen Schacht hat es aber wohl auch in Kirchberg gegeben.

Die „Steinkohlengesellschaft des großen erzgebirgischen Bassins“ (1845 - 1849) hatte in einem großen Gebiet zwischen Bernsdorf und Pfaffenhain Abbaurechte erworben, u.a. in Kirchberg und Erlbach. Ein Bohrloch in Ursprung (im unteren Teil des Dorfes) ging bis auf 202 m. Dieser Versuch war aber - wie alle anderen Bohrungen des Unternehmens - vergeblich.

Halde des Ferdinandschachtes | Foto: W. Frech

Der „Lugau-Erlbacher Steinkohlenbauverein“ (1856 - 1861) legte nach einer Versuchsbohrung den Eintrachts-Schacht (oder Eintracht-Schacht) an. Er lag in der Nähe der Flurgrenze zu Lugau unweit der Lugau-Erlbacher Straße. Der Schacht erreichte eine Tiefe von 430 m, wurde aber nicht fündig.

Der „Erlbach-Leipziger Steinkohlenbauverein“ (1856 bis 1864) teufte in Erlbach den Ferdinand-Schacht bis in eine Tiefe von 734 m. Der Schacht lag hoch über dem Dorf am Firstenweg. Die aufgefundenen Kohleschichten waren so gering, dass sich ein Abbau nicht lohnte. Der Schacht besaß u.a. eine Fördermaschine von 33 PS und eine Wasserhaltungsmaschine von 50 PS, die einige Jahre nach der Stilllegung zusammen mit zwei Dampfkesseln an den Sewaldschacht in Niederwürschnitz verkauft wurden.

Überblick Erlbach-Kirchberg | Foto: W. Frech

In alten Karten sind weitere Bergbauvorhaben erkennbar. 1859 wird das Steinkohlenfeld von „Breithaupt und Genossen“ in Kirchberg genannt. Auf der gleichen Karte ist das Steinkohlenfeld von „Kohl und Genossen“ in Ursprung eingezeichnet. Das „Konsortium Vertrauensgrube zu Niedererlbach“ unternahm 1874 einen Bohrversuch in Erlbach. Auf der gleichen Karte von 1874 sind das „Steinkohlenfeld von Dufour-Feronce“ in Erlbach mit einem Bohrloch und eine „Sächsische Steinkohlenbau-Compagnie“ mit einem Bergbauversuch in Erlbach erwähnt.

Keiner dieser Bergbauversuche führte zum Kohlenabbau. Dennoch hatten die Bauern einen Nutzen davon. Wer Steinkohle unter einem Grundstück abbauen wollte, musste das Abbaurecht vom Grundstückseigentümer erwerben. Es wird berichtet, dass z.B. die Kohlenabbaurechte in Ursprung bis zu viermal an immer neue Interessenten verkauft worden sind. Insgesamt blieben die drei Dörfer vom Bergbau weitgehend unberührt, auch wenn aus Ursprung, Kirchberg und Erlbach einige Einwohner zur Arbeit auf den Schacht gingen.

Bergbau: Entwicklung in Lugau

Eine völlig andere Entwicklung nahm Lugau durch den Steinkohlenbergbau. Innerhalb eines halben Jahrhunderts vergrößerte sich die Einwohnerzahl des Dorfes um das Zwanzigfache. Aus einem kleinen Bauerndorf wurden eine Bergarbeitergemeinde und schließlich eine Stadt.

Lugauer Schächte hoch über dem Tal (Ende des 19. Jahrhunderts)

Mitte der 1850er Jahre begannen die ersten größeren Bergbauversuche. In dieser Zeit wurde Lugau zum Zentrum des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers. Bereits 1852 war mit dem Teufen des Carl-Schachtes begonnen wurde. Im Jahre 1856 wurden gleich mehrere Schächte geteuft: Einigkeitsschacht, Gottes-Segen-Schacht, Neue Fundgrube, Westphalia-Schacht. Später folgten der Glückauf-Schacht (1866), der Hoffnungschacht (1870), der Neue Carl-Schacht (1870) und der Viktoriaschacht (1872). Eine besondere Rolle spielte der Vertrauenschacht (1869). Fast alle diese Schächte haben große Halden hinterlassen, die bis heute das Ortsbild prägen.

Alter Carlschacht

Der Carl-Schacht (1852 - 1903) wurde der wichtigste Schacht des „Lugau-Niederwürschnitzer Steinkohlenbauvereins“. Neben einigen Niederwürschnitzer Schächten gehörte auch der Neue Carl-Schacht an der Wiesenstraße in Lugau zu diesem Unternehmen.

Der Einigkeitsschacht hinter dem Lugauer Bahnhof (1856 - 1871) war für einen erfolgreichen Bergbau schon zu abgelegen. 1878 erwarb die Firma Facius das bis heute erhaltene Schachtgebäude und gründete eine Kammgarnspinnerei.

Altes Bild des Saxonia-Schachtes

Der Westphalia-Schacht wurde wie die meisten Schächte auf den Höhenzügen hoch über Lugau und damit weit abseits des alten Dorfes angelegt. Seit 1871 betrieb eine neue Gesellschaft den Schacht als Saxonia-Schacht weiter. Er bestand aber nur bis 1883.

Ehemaliges Verwaltungsgebäude der Gewerkschaft Gottes Segen | Foto: W. Frech

Der Gottes-Segen-Schacht bestand bis 1925 (als Wetterschacht bis 1937). Nur wenige Meter vom Gottes-Segen-Schacht entfernt wurde ab 1866 als Zwillingsanlage der Glückau-Schacht bis auf zuletzt 412 m  geteuft. Den Name „Gottes Segen“ übernahm später eines der beiden großen Bergbauunternehmen des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers, zu dem der Gottes-Segen-Schacht gehörte.

Die Neue Fundgrube steht für das dunkelste Kapitel des Bergbaus in Lugau. Am 1. Juli 1867 brach der Schacht in sich zusammen. Weil das Bergwerk nur diesen einen Schacht besaß, waren die Bergleute unter Tage eingeschlossen und konnten nicht gerettet werden. 101 Bergleute kamen ums Leben.

Altes Bild vom Vertrauenschacht

Ab dem Jahre 1869 wurde der Unglücksschacht unter dem beziehungsreichen Namen Vertrauenschacht wieder aufgewältigt. Dabei wurden die sterblichen Überreste der Opfer des Grubenunglücks geborgen. An der Lugauer Kirche wurden sie in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Ein Gedenkstein erinnert an das Unglück und die getöteten Bergleute.

Zusammen mit dem Vertrauenschacht wurde 1870 der Hoffnung-Schacht geteuft. Seit dem Unglück auf der Neue Fundgrube musste jede Grube mindestens zwei Schächte haben. Der Vertrauenschacht ist der Lugauer Schacht, der am längsten bestand. Vom Teufen im Jahre 1856 (als Neue Fundgrube) war er bis zum Ende des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers im Jahre 1971 in Betrieb.

Viktoriaschachthalde mitten in Lugau | Foto: W. Frech

Der letzte in Lugau geteufte Lugauer Schacht war der 1872 geteufte Viktoriaschacht mitten im Ort. Er erreichte eine Tiefe von 297 m und bestand bis zum Jahre 1914. Gleich hinter der Lugauer Grundschule ragt bis heute die Viktoriaschachthalde auf.

Entwicklung der Orte durch den Bergbau

Die erfolgreiche Entwicklung des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers war nur möglich durch den Bau der „Chemnitz-Würschnitzer Kohlenbahn“, die im Jahre 1858 ihren Betrieb zwischen Lugau und Wüstenbrand aufnahm. Nur so konnte die Kohle kostengünstig und in großen Mengen zu den Verbrauchern gebracht werden. Die Steinkohle aus Lugau und Oelsnitz leistete einen wichtigen Beitrag zur Industrialisierung von Chemnitz.

Bahnhof Lugau Ende des 19. Jahrhunderts

Mittelpunkt der Strecke war der Lugauer Bahnhof. Weil es in der gesamten Umgebung noch keine andere Eisenbahnlinie gab, erfolgte der Warentransport für die gesamte Region über den Bahnhof Lugau. An der Flockenstraße zwischen Lugau und Neuoelsnitz war der Kohleladeplatz. Seit 1862 erhielten die Schächte einen direkten Gleisanschluss. Die Trassen dieser Werkbahnen sind bis heute als Wege oder Straßen noch erkennbar.

Der Haltepunkt Ursprung heute | Foto: Wolfgang Frech

Ebenfalls 1862 wurde der Personenverkehr aufgenommen. Im Jahre 1885 wurden die Haltepunkte in Ursprung und Kirchberg eröffnet. Nun konnten nicht nur die dort wohnenden Bergarbeiter schneller zu ihren Arbeitsplätzen kommen. Vor allem erhielten damit diese beiden Dörfer einen direkten Anschluss an den Personen- und Güterverkehr in der Nähe und in die Ferne.

Lugauer Zentralschule von 1879 heute | Foto: W. Frech

Das schnelle Wachstum der Einwohnerzahl Lugaus erforderte, dass ein völlig neuer Ort aus dem Boden gestampft werden musste. Wohnhäuser, Straßen, öffentliche Einrichtungen (z.B. Schule, Kirche, Feuerwehr) und die gesamte Infrastruktur mussten errichtet werden. Um die Wende zum 20. Jahrhundert kamen Wasser- und Elektrizitätsversorgung sowie ein Telefonnetz, später die Gasversorgung dazu.

Die heutige Bundesstraße B 180 | Foto: W. Frech

Lebten die Menschen bisher vorwiegend in dem Tal des Lugauer Dorfbaches, so wuchs die Besiedlung nun über das Tal hinaus. Auf der Hochfläche über dem Tal, abseits des alten Dorfes, verliefen schon früh mehrere „Fernstraßen“. Heute sind es Bundes- bzw. Staatsstraßen. Sie verbanden Stollberg mit Waldenburg (und damit das Erzgebirge mit dem Flachland) bzw. das Muldental mit Chemnitz. Auf dieser relativ ebenen Hochfläche war auch die Eisenbahnlinie von Lugau nach Wüstenbrand und von dort weiter nach Chemnitz erbaut worden.

Auf dieser Hochfläche entstand ein völlig neuer Ortsteil, der sich zum Zentrum der Gemeinde entwickelte und später Oberlugau genannt wurde. Zunächst wurden entlang der seit Jahrhunderten bestehenden Fernstraßen zahlreiche Gebäude errichtet. Das Gebiet um den Bahnhof wurde ein besonderer Anziehungspunkt für Handel und Gewerbe. Bald reichte der Platz nicht mehr aus und die Bebauung wuchs über die vorhandenen Flurgrenzen hinaus. An der Stollberger Straße entstand auf Niederwürschnitzer Flur der Ortsteil Lugau-Anbau, der bis heute zur Gemeinde Niederwürschnitz gehört. An der Straße Richtung Chemnitz entstand auf Kirchberger Flur der Ortsteil Neu-Kirchberg - also ein Teil der Gemeinde Kirchberg.

Altes Übersichtsbild der Kammgarnspinnerei "Hey"

Der Bergbau war auch ein Motor für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Viele der neuen Gewerbebetriebe standen in Zusammenhang mit dem Bergbau (Gießereien, Seilereien, Maschinenfabriken, Transportunternehmen). Die beiden großen Spinnereien setzten die Tradition der Meinertschen Spinnmühle fort und boten viele Arbeitsplätze für Frauen.

Hunt am Rathaus zur Erinnerung an die Stadtrechtsverleihung | Foto: W. Frech

Am Vorabend des 1. Weltkriegs erreichte die Kohleförderung im Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenrevier ihren Höhepunkt. Seit Anfang der 1920er Jahre waren die Stadt Leipzig und der Freistaat Sachsen die Haupteigentümer der Schächte im Revier. Als Krönung der Entwicklung erhielten Lugau und Oelsnitz im Jahre 1924 das Stadtrecht verliehen.

Ehemalige Handschuhfabrik an der Alten Schmiedegasse | Foto: W. Frech

Auch wenn in Ursprung, Kirchberg und Erlbach keine Schornsteine qualmten, so hatten doch auch diese Dörfer großen Nutzen von der wirtschaftlichen Entwicklung. Lugau bot Arbeitsplätze für Männer und Frauen im Bergbau und in der Industrie. Andere Einwohner fuhren mit dem Zug Richtung Chemnitz zur Arbeit. Mehr Einwohner brauchten auch mehr Dienstleistungen der Handwerker und für die Landwirtschaft verbesserten sich die Absatzmöglichkeiten. Auch in den Dörfern selbst entstanden kleinere Fabrikationsstätten. Das wirkte sich auf die Entwicklung der Einwohnerzahl aus. Am Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Ursprung 800 Einwohner erreicht, in Kirchberg waren es 1.500 (einschließlich Neu-Kirchberg) und in Erlbach auch über 1.000. Seit der ersten Volkszählung 1834 hatte sich die Einwohnerzahl mindestens verdoppelt. Das war zwar nicht so dramatisch wie in Lugau, erforderte aber dennoch viele Veränderungen. Das ruhigere Wachstum ermöglichte dafür die Bewahrung der überlieferten dörflichen Strukturen, die in Lugau weitgehend verloren gingen.

Vor allem die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts und der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte viele Veränderungen. In Erlbach wurde ein neues Schulgebäude errichtet, das heute die Evangelische Montessori-Grundschule beherbergt. In Kirchberg wurden innerhalb kurzer Zeit sogar zwei neue Schulgebäude errichtet. Außerdem gab es eine Schule in Neukirchberg.

Post und Telefon hielten Einzug, Wasser- und Elektrizitätsleitungen wurden verlegt. So öffnete 1894 die Postagentur in Erlbach; 1912 brannte das erste Mal elektrisches Licht in den Häusern. Auch Ursprung erhielt um die Jahrhundertwende diese modernen Einrichtungen.

Fahne eines Neukirchberger Gesangsvereins | Foto: W. Frech

Sowohl in Städten wie in Dörfern wurde im 19. Jahrhundert das Leben vielfältiger. Es eröffneten sich neue Möglichkeiten, gemeinsam etwas zu unternehmen; alte Grenzen wurden überwunden. Die Einwohner schlossen sich zu Vereinen zusammen. Die verschiedenen Gaststätten und das  Naturbad in Erlbach wären ohne die Vereine nicht so erfolgreich gewesen. In Ursprung entstanden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts der Leseverein, der Militärverein, der Gesangverein „Liederkranz“, der Pfeifenclub, der Turnverein, der Frauenverein und der Landwirtschaftliche Verein. Dazu kamen genossenschaftliche Zusammenschlüsse, aus denen u.a. der Konsumverein hervorging.

Das 20. Jahrhundert

Bis ins 19. Jahrhundert waren Ursprung, Kirchberg, Erlbach und Lugau verschiedenen Herrschaftsgebieten bzw. später verschiedenen Ämtern zugeordnet. So gehörten Kirchberg und Ursprung noch vor 200 Jahren zum Amt Grünhain - ein Nachklang der einstigen Verbindung mit dem mittelalterlichen Kloster Grünhain. Seit 1843 gehörten die vier Dörfer gemeinsam zum Amt Stollberg. 1910 wurde der Landkreis (damals noch Amtshauptmannschaft) Stollberg gebildet, der 2008 im Erzgebirgskreis aufging.

Neukirchberg | Foto: W. Frech

Die Industrialisierung veränderte die Landkarte Sachsens erneut. Große Städte wie Chemnitz wuchsen rasant an - zunächst über ihre Flurgrenzen hinaus, dann durch Eingemeindungen. Auch Lugau als aufblühende Bergbaugemeinde war über die Flurgrenzen hinausgewachsen. Neukirchberg hatte ein kleinstädtisches Erscheinungsbild, gehörte aber trotz der räumlichen Entfernung zu dem landwirtschaftlich geprägten Kirchberg.

Bereits 1919 wurden zwischen den Gemeinden Lugau und Kirchberg Verhandlungen über die Eingemeindung von Neukirchberg geführt. Bei einer Abstimmung im Dezember 1919 sprachen sich fast zwei Drittel der Einwohner Neukirchbergs für die Eingemeindung nach Lugau aus, die am 1. Juli 1920 vollzogen wurde. Das eigentliche Dorf Kirchberg (zur Unterscheidung von Neukirchberg auch Altkirchberg genannt) wurde am 1. April 1922 mit Lugau zusammengeschlossen. In diesem Zusammenhang wurde auch über eine Eingemeindung von Erlbach nachgedacht. Bei einer im Mai 1922 abgehaltenen Abstimmung sprachen sich aber fast 60 % der stimmberechtigten Erlbacher gegen diesen Schritt aus.

Über 40 Jahre bildeten Neu- und Altkirchberg nun Ortsteile von Lugau. Altkirchberg blieb aber unverändert ein ruhiges Bauerndorf. Zum 1. Januar 1957 wurde Altkirchberg wieder ausgegliedert und mit Erlbach zur Gemeinde Erlbach-Kirchberg vereinigt. Neukirchberg blieb Teil der Stadt Lugau.

Erlbach-Kirchberg als ein Ortsteil von Lugau | Foto: W. Frech

In den 1990er Jahren änderten sich die Strukturen erneut. Seit 1994 bildeten Ursprung, Erlbach-Kirchberg und Lugau eine Verwaltungsgemeinschaft. Seit 1999 gehört auch die Gemeinde Niederwürschnitz zu dieser Verwaltungsgemeinschaft. Ebenfalls 1999 wurde Ursprung nach Erlbach-Kirchberg eingegliedert. Schließlich wurde zum 1. Januar 2013 die Gemeinde Erlbach-Kirchberg in die Stadt Lugau eingegliedert. Ursprung und Erlbach-Kirchberg sind heute gleichberechtigte Ortsteile von Lugau.

Aufmarsch in Lugau Mitte der 1930er Jahre

Das 20. Jahrhundert ging auch an stillen Gemeinden wie Ursprung, Kirchberg und Erlbach nicht spurlos vorüber - erst recht nicht an einer Kleinstadt wie Lugau. Dieses Jahrhundert war geprägt von Diktatur und Krieg. Die Spuren sind noch ganz frisch. Persönliche Erinnerungen und Verletzungen sind etwas anderes als alte Akten, die eine jahrhundertelange Geschichte dokumentieren.

Auch in vergangenen Jahrhunderten hatten Kriege ihre Spuren hinterlassen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Nähe der Hofer Straße, auf der immer wieder Soldaten durchzogen, für die Einwohner zum Verhängnis. Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts schienen zunächst weit weg zu sehen. Doch die Briefe, in denen der Tod eines Soldaten den Angehörigen mitgeteilt wurde, kamen auch in das kleinste Dorf. Das Kriegsende und die Besetzung durch die amerikanischen Soldaten verliefen für Erlbach-Kirchberg und Ursprung relativ glimpflich. Lugau dagegen hatte ab Mitte April 1945 unter Artilleriebeschuss mit vielen Todesopfern zu leiden. Das war die Reaktion darauf, dass kleinere Stoßtrupps der Amerikaner mehrfach von Soldaten, SS-Männer oder sogar Hitler-Jungen angegriffen wurden.

Vielleicht wäre auch die Besetzung von Erlbach-Kirchberg anders verlaufen, hätten die amerikanischen Soldaten von einem schlimmen Verbrechen erfahren. Wenige Wochen zuvor, Mitte März 1945, war ein so genannter Todesmarsch mit fast 1.000 jüdischen KZ-Häftlingen durch Kirchberg und Erlbach gezogen. Sechs dieser Häftlinge wurden im Dorf erschossen. Ein Gedenkstein auf dem Erlbacher Friedhof erinnert an dieses Verbrechen. Zumindest diesen Zug der Todgeweihten konnte jeder in Erlbach-Kirchberg und Ursprung sehen. Doch auch zuvor war den meisten nicht verborgen geblieben, wenn in Lugau Nachbarn verhaftet oder deportiert wurden. Die Spuren der Diktatur führten in jede Stadt und in jedes kleine Dorf.

Gebäude der MAVEK an der Alten Straße

Für Ursprung, Kirchberg und Erlbach war vor allem die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft ein tiefer Einschnitt. Jahrhundertealte bäuerliche Familientraditionen gingen innerhalb kurzer Zeit verloren. Auch nach 1990 haben nur wenige Landwirte wieder einen landwirtschaftlichen Betrieb gegründet. Die meisten Flächen bewirtschaftet die MAVEK als großes landwirtschaftliches Unternehmen und wichtigster Arbeitsgeber in der Landwirtschaft.

Für Lugau war vor allem das Ende des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers im Jahre 1971 ein tiefer Einschnitt. Nachfolgebetriebe boten Arbeitsplätze vor Ort, doch viele bisherige Bergleute fuhren nach Chemnitz, Zwickau oder in andere Städte zur Arbeit. Mit dem Ende des Bergbaus hörte nicht nur eine 125-jährige Bergbautradition auf, sondern es gingen auch alle Erfahrung und alles Wissen dieses Wirtschaftszweiges hier vor Ort weitgehend verloren.

Mit dem Ende einer abgeschotteten Staatswirtschaft im Jahre 1990 waren die meisten Betriebe auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig. Zugleich wurde die Neugründung von Betrieben möglich. Doch die zahlreichen Gründungen meist kleinerer Unternehmen konnten den Verlust der Arbeitsplätze nicht ausgleichen. Eine gute wirtschaftliche Gesamtsituation, die Nähe von Chemnitz und viele andere Rahmenbedingungen trugen aber dazu bei, dass die hohe Arbeitslosigkeit der 1990er Jahre überwunden ist. Die Region zwischen Chemnitz und Zwickau ist auf dem Weg zu einer guten wirtschaftlichen Entwicklung - und mittendrin liegt Lugau mit seinen Ortsteilen Erlbach-Kirchberg und Ursprung.